Lieber Philipp, lieber Mark, HWF ist ein Spezialversicherungsmakler für die Strukturierung von Versicherungslösungen für M&A-Transaktionen. Wofür sind diese W&I-Versicherungen wichtig?
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Eine Gewährleistungsversicherung (Warranty & Indemnity; “W&I”) kann in einer M&A-Transaktion zwei Funktionen erfüllen: Zunächst als Bid Differentiator; da wir uns weiterhin in einem starken Verkäufermarkt befinden, werden qualitativ hochwertige Zielunternehmen häufig im Rahmen kompetitiver Auktionsverfahren verkauft. Verkäufer berücksichtigen hierbei im Rahmen einer Gesamtschau der Angebote nicht nur den Preis, sondern auch die Möglichkeit, einen sog. Clean Exit zu erzielen. Die W&I-Versicherung hat sich für Käufer zu einem wichtigen Baustein eines attraktiven Gebots entwickelt. Käufer können dem Verkäufer eine vorteilhafte Haftungsposition anbieten und dabei gleichzeitig die eigenen Risikomanagementanforderungen einhalten. Der Verkäufer muss keine Rückstellungen für potentielle Garantieverletzungen bilden und kann Erlöse unmittelbar auskehren – der Clean Exit ist erreicht. Dies ist insbesondere am Ende der Laufzeit eines Fonds enorm vorteilhaft.
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Eine W&I-Versicherung kann außerdem als Katalysator in einer Transaktion dienen. Verkäufer sind teilweise auch in bilateralen Prozessen nur Willens, bestimmte Garantien abzugeben, wenn der Schaden von einer Versicherung getragen wird. Dies ist oft der Fall, wenn es um Unternehmensnachfolge im Mittelstand geht oder auch bei Finanzinvestoren auf Verkäuferseite, denen die direkte Einbindung in das Tagesgeschäft fehlt. Die W&I Police ist hier eine kostengünstige Methode, um ein individuell gestaltetes Regressregime zu schaffen. Dadurch können auch Bedenken hinsichtlich der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen gegenüber dem Verkäufer und hinsichtlich der Beziehung zum Management oder rückbeteiligten Verkäufern beseitigt werden.
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Themen, über die die Partien im Zweifel lange verhandeln würden, können auf die W&I-Police ausgelagert werden. Dadurch gelingt oft ein Brückenschlag zwischen den widerstreitenden Interessen im Hinblick auf Garantiehaftung und Regress. So können im SPA verankerte Haftungsausschlüsse des Verkäufers z.B. für das Handeln von Erfüllungsgehilfen für Zwecke der Police ignoriert werden. Die Verjährungsfristen unter der W&I-Police sind länger als in marktüblichen Kaufverträgen und die Schadensdefinition kann in der Police künstlich erweitert werden. Zuletzt kann über das Instrument des sogenannten Knowledge Scrape eine Garantie, die der Verkäufer kenntnisqualifiziert zu geben bereit ist für Zwecke der Police absolut versichert und damit letztendlich der Inhalt der einzelnen Garantie erweitert werden.
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Haben sich die zu versichernden Risiken in den letzten Jahren verändert? Worauf legen Käufer und Verkäufer am meisten Wert?
Hierbei muss man grundsätzlich unterscheiden zwischen der traditionellen W&I Versicherung und der Versicherung für erkannte Risiken, sog. Contingent Risk Policies. Für die W&I Versicherung war der Ausbruch der Pandemie historisch das wohl einschneidendste Ereignis, worauf die meisten Versicherer zu Beginn mit generellen COVID-Ausschlüssen reagiert haben. Diese Ausschlüsse verlangt heute kein Versicherer mehr, aber es wird erwartet, dass der potentielle Einfluss auf Umsatz und Ergebnis des Zielunternehmens, auf die wesentlichen Verträge und der Umgang des Zielunternehmens mit den Pandemiefolgen Teil der Due Diligence ist. Auch die Folgen des Krieges in der Ukraine sind insofern spürbar, als Versicherer besonderes Augenmerk auf potentielle Geschäftstätigkeit des Zielunternehmens in oder mit Russland, Weißrussland oder der Ukraine legen und Folgen jeglicher operativer Tätigkeit in oder mit diesen Ländern ausschließen würden. Unabhängig davon hat sich insbesondere der Anwendungsbereich der W&I Versicherung verbreitert. In den vergangenen Jahren haben sich vermehrt Kunden und Berater aus dem mid- und small-cap Bereich dazu entschieden, eine W&I-Versicherung zu nutzen. Bei kleineren Transaktionen, insbesondere dann wenn das Unternehmen international ausgerichtet ist, ist oftmals das Budget für eine umfassende Due Diligence begrenzt, wobei der gleiche Katalog an Garantien versichert werden soll, wie dies auch bei größeren Deals der Fall ist. Es ist daher wichtig, dass der Umfang der Due Diligence auch jurisdiktional dem Inhalt des Garantiekatalogs entspricht. Mit Zunahme der Komplexität der Risiken legen Käufer und Verkäufer besonderen Wert auf eine umfassende und professionelle Beratung durch den Broker während des gesamten Prozesses, die bereits bei der Festlegung des Umfangs der DD Prüfung beginnt. Es wird darauf geachtet, dass sich der Versicherungsschutz möglichst lückenlos darstellt und die Möglichkeiten der W&I-Versicherung für den jeweiligen Deal voll ausgeschöpft werden. All das gewährleisten wir als Makler.
Im Hinblick auf Contingent Risk Policies diversifiziert sich der Markt ständig weiter. Während die W&I Versicherung bekannte Risiken gerade ausschließt, will diese Art der Versicherung bekannte Risiken von den Parteien wegverlagern. Dadurch lassen sich oftmals Punkte, die historisch ein Dealbreaker gewesen wären, aus der Verhandlung herausnehmen und die Parteien müssen sich lediglich über die Kosten der Versicherung verständigen. Dies sind meist Risiken mit einem enormen Schadenspotenzial aber einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit. Traditionell bot sich dies insbesondere bei Steuerrisiken verschiedenster Art an. Mittlerweile fand indes eine Professionalisierung des Marktes statt. Es können nun teilweise exotische Risiken versichert werden. Die Nachfrage nach solchen Lösungen nimmt stetig zu und wird nach unserer Auffassung weiter an Bedeutung gewinnen.
Und wo sind die Grenzen der Versicherungen?
Der Umfang der W&I Versicherung ist in dreierlei Hinsicht beschränkt: durch (i) allgemeine Ausschlüsse, (ii) den Inhalt der Garantien und (iii) die damit korrespondierende Due Diligence und ihren Ergebnissen. Bei allem gilt es indes zu berücksichtigen, dass die W&I-Versicherung ausschließlich unbekannte Risiken versichert, also beispielsweise Schäden, die aus der nicht-Offenlegung bestimmter Dokumente durch den Verkäufer resultieren.
Eine umfassende Darstellung der allgemeinen Ausschlüsse würde sicherlich diesen Rahmen sprengen, aber zusammenfassend kann festgehalten werden, dass allgemeine Ausschlüsse zum einen die Haftungsbeschränkungen marktüblicher Unternehmenskaufverträge spiegeln und zum anderen solche Risiken ausschließen, die sich im Rahmen einer Due Diligence häufig nicht konkret beziffern lassen.
Im Hinblick auf den Umfang und Inhalt des Garantiekataloges zieht die W&I Versicherung dort eine Grenze, wo eine bestimmte Garantie von einem professionell beratenen Verkäufer in einer unversicherten Transaktion nicht oder nicht mit diesem Inhalt gegeben würde.
Von entscheidender Bedeutung für den Deckungsumfang der Police sind Art und Umfang der Due Diligence. Es wird grundsätzlich erwartet, dass die Due Diligence von externen Beratern durchgeführt wird und der Prüfungsumfang dem Inhalt der Garantien entspricht. Es gilt im Grundsatz, dass der Versicherer eine Prüfung erwartet, die ein vernünftiger Käufer auch in einer unversicherten Transaktion durchführen würde, d.h. es wird erwartet, dass die Prüfungstiefe nicht zu Lasten der Versicherung reduziert wird, es werden aber umgekehrt keine unwirtschaftlichen Hürden aufgebaut. Allerdings gibt es spezifische Themenfelder, bei denen die W&I-Versicherung besondere Anforderungen stellt. Risiken aus Cyberschäden und für Produkthaftpflichtverletzungen können in der W&I Versicherung üblicherweise allenfalls als Exzedentenversicherung über einer spezifischen Cyber-bzw. Produkthaftpflichtversicherung abgedeckt werden.
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„Es wichtig ist, dass der Umfang der Due Diligence dem Inhalt des Garantiekatalogs entspricht.“
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Durch wen und zu welchem Zeitpunkt werdet ihr dann üblicherweise in den Prozess eingebunden?
Wir werden sowohl von Verkäufern als auch von Käufern angesprochen und mandatiert. Zumeist kommen die Kontakte aus unserem bestehenden Netzwerk von Kanzleien, Financial Advisors und Prinzipalen, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, sowie über Empfehlungen aus diesem Netzwerk. Wir werden häufig schon früh mit in den Prozess eingebunden, um allgemein über die jeweilige Transaktion zu sprechen und Besonderheiten abzuklopfen, welche man im Blick auf die Versicherbarkeit früh adressieren kann. Dabei geht es in erster Linie um die Strukturierung der Due Diligence im Hinblick auf das Risikoprofil der Zielgesellschaft und um den Entwurf des Kaufvertrages. Dabei handelt es sich in erster Linie um sog. Seller-initiated Processes. Dort kann eine frühzeitige Einbindung helfen, dem späteren Käufer eine bessere Deckung zu ermöglichen. Allerdings sollte man hier auf Käuferseite in jedem Fall noch einmal einen Sense Check durchführen. Zum Teil werden wir aber auch erst einige Tage vor Unterzeichnung des Kaufvertrags hinzugezogen und sind dann in der Lage innerhalb weniger Tage die Police zu platzieren. Von intensiver Beratung in einem sehr frühen Stadium der Transaktion bis hin zu hochintensivem Arbeiten, um es in wenigen Tagen zum Signing zu schaffen, ist also alles dabei.
Macht es auch Sinn, dass euch der M&A-Berater bereits einbindet, wenn der Prozess gerade erst vorbereitet wird? Ihr also sozusagen eine „Stapled W&I-Versicherung“ aufsetzt, die dann alle Bieter im Prozess nutzen können?
Eine möglichst frühzeitige Einbindung ist in jedem Fall sinnvoll. Wir können einen ersten Blick auf den geplanten Scope der Due Diligence werfen und aus unserer Erfahrung heraus eine Einschätzung treffen, wo wir Lücken sehen und was nötig ist, um vollumfängliche Deckung zu erreichen. Wir können außerdem unsere Einschätzung zu den ersten Entwürfen des SPA geben, sprich zu Umfang, Formulierung und wahrscheinlicher Versicherbarkeit des Garantiekatalogs und zu den Gewährleistungseinschränkungen. Danach lässt sich auch vernünftig beurteilen, ob ein sog. Hard-staple Prozess möglich und sinnvoll ist. In diesen Fällen wird ein Teil des Underwriting Prozesses auf die Verkäuferseite gezogen und den Bietern wird eine bereits vorverhandelte Police mit vorläufiger Deckungsposition angeboten. Das ist grundsätzlich nur möglich, wenn es bereits verkäuferseitige Due Diligence gibt, die als Basis für die Risikoprüfung dienen kann. Gleichwohl halten wir einen hard-staple nicht in allen Fällen für sinnvoll, da die Anforderungen verschiedener Bieter doch stark variieren können und es selten ein „one size fits all“ gibt. In sehr kompetitiven Prozessen oder für bestimmte Asset-Klassen bietet sich allerdings ein hard-staple oft an, um den Prozess noch effizienter zu gestalten.
Welche Rolle spielt bei HWF Technologie in der Erbringung eurer Services? Was war vielleicht vor 5 Jahren noch analog und manuell und findet heute digital statt?
Auch bei uns findet vieles mittlerweile virtuell statt und man ist weniger vor Ort präsent. Hier gibt es insbesondere eine Verschiebung im Marketing und Business Development obgleich manche Kontakte doch weiterhin persönlich sein müssen. Darüber hinaus helfen uns Business- und Market-Intelligence Tools um über den aktuellen Stand der momentanen M&A-Aktivität informiert zu bleiben. Auch das Kundendaten- und Dealmanagement ist mit den heutigen Technologien einfacher zu gestalten, als dies noch vor ein paar Jahren der Fall war. Was das eigentliche Deal Doing im Underwriting Prozess betrifft, hat sich nicht viel verändert. Da jede Police zur jeweiligen Transaktion passen muss, ist der inhaltliche Teil unserer Tätigkeit weitestgehend ungeeignet für eine Digitalisierung.
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„ Die überdurchschnittliche M&A Aktivität wird sich nach unserer Wahrnehmung im Jahr 2022 zunächst fortsetzen.“
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Was sind eure Erwartungen für den M&A-Markt im Jahr 2022?
Die überdurchschnittliche M&A Aktivität wird sich nach unserer Wahrnehmung im Jahr 2022 zunächst fortsetzen. Wir sehen anhaltend hohen Anlagedruck der durch die gestiegenen Inflationsraten noch weiter zugenommen hat. Auch die sich andeutende Zinswende und die einhergehenden höheren Finanzierungskosten scheinen das bislang nicht zu bremsen. Umgekehrt könnte die Situation in der Ukraine zu einer steigenden Unsicherheit und einem Abkühlen des Marktes führen.
Momentan sehen wir ein Zusammenlaufen von anhaltend starker Aktivität bei den „Covid-Gewinnern“, sprich technologiebasierten und Lifesciences-Unternehmen und Nachholeffekten bei „Covid-Verlierern“ zum Beispiel Retail – und Office Properties, sodass wir von einem weiteren Jahr auf sehr hohem Niveau ausgehen. Es gibt zudem noch keine übertriebenen Bewertungen, die darauf hindeuten würden, dass sich alsbald eine Marktkorrektur einstellen müsste. Nachdem dies schon in 2020 und 2021 prophezeit wurde, bleibt abzuwarten, ob das Thema „Distressed M&A“ in diesem Jahr akut werden wird. Die Gemengelage aus aufgeschobenen Insolvenzen, unterbrochenen Lieferketten, sowie steigender Energiepreise können Anlass zu dieser Vermutung geben. Auf all das wird der W&I-Versicherungsmarkt in diesem Jahr Antworten geben müssen. Es treten weiterhin neue W&I-Versicherer in den deutschen Markt ein und sorgen für ein hohes Wettbewerbsniveau. Davon werden letztendlich in jedem denkbaren Marktszenario die Transaktionsbeteiligten profitieren.